Men of Alaska - In deinen Armen

Ein hoher Preis

Cole

»Hier!« Mit einem dumpfen Scheppern wirft Baines einen langen, schweren Gegenstand vor mir auf den Tisch. Er steckt in einer dieser Tüten, in denen die Beweisstücke gesichert werden. Durch das Blut an der Klinge klebt das dünne Plastik daran, doch ich erkenne das Jagdmesser sofort – es gehört mir.
Die Luft bleibt mir weg. Meine Eingeweide ziehen sich zusammen, und ich muss gegen den Impuls ankämpfen, mich zu übergeben. Mit bebender Brust zwinge ich mich zum Atmen. Mein Messer. Cynthia ist durch eine meiner Waffen gestorben. Sie wollte nie, dass ich sie zu Hause aufbewahre …

»Das gehört Ihnen, nicht wahr?« Der Chief verschränkt die Arme vor der Brust und wartet auf eine Antwort. Ich sehe nicht auf. Meinen Blick stur auf die verschmierte Damastklinge geheftet, nicke ich lediglich einmal.

»Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Schwäche für Stichwaffen haben, Statham.«

Du Wichser. Meine Freundin ist tot.

Gequält beiße ich die Zähne zusammen.

»Ich habe eine Schwäche für die Jagd, Sir. Mein Großvater hat es mir beigebracht. Das Messer ist ein Erinnerungsstück.« Noch immer vermeide ich den Blickkontakt, höre aber sein angespanntes Ausatmen.

Ich sitze in einem der Verhörräume meines Departments. In Handschellen. Auf der falschen Seite dieses verfickten grauen Stahltisches, auf dessen Platte mein Boss nun seine Hände stützt. Ich darf die Fassung nicht verlieren. Wenn ich hier irgendwie wieder rauskommen will, muss ich einen kühlen Kopf bewahren.Ich werde die Bilder nicht los. Es tut so verdammt weh.

»Das ist nicht länger nur ein Erinnerungsstück, Cole«, raunt Baines mir zu. »Es ist jetzt eine Tatwaffe. Und die einzigen Fingerabdrücke darauf sind Ihre, verdammt!« Seine flache Hand rauscht auf die Tischplatte, und der Schlag hallt durch den ganzen Raum.

Ich zucke lediglich mit den Wimpern. »Sie wissen, dass ich es nicht getan habe«, stoße ich hervor und hebe ganz langsam den Kopf. Ein winziger Funke Hoffnung brennt in mir, dass mein Boss trotz aller Befürchtungen auf meiner Seite steht. Dass sie ihn nicht gut genug bezahlen, um sich gegen seine eigenen Leute zu stellen. Doch als ich seinem Blick begegne, gefriert der Funke zu Eis.

»Was ich denke, tut nichts zur Sache«, sagt er und wendet sich ab. Er hat nicht einmal den Schneid, mir in die Augen zu sehen, als er mir offenbart, dass die Beweislage eindeutig ist und ich noch im Laufe des nächsten Tages dem Haftrichter vorgeführt werde. Mir entweicht ein bitteres Lachen. »Wie hoch?«, frage ich, und Baines blickt über seine Schulter. »Was meinen Sie?«

»Wie hoch der Preis ist, will ich wissen.«

Er schluckt. Sein Mund mit dem Oberlippenbart klappt auf. Und als er für den Bruchteil einer Sekunde ertappt zur Seite blickt, sammelt sich all meine verzweifelte Aggression in meinen Beinen. Ich schnelle hoch, der Stuhl schabt quietschend über den Boden und droht, zu kippen. Das metallene Klacken, als die Beine wieder auf die Fliesen treffen, ist kurzzeitig das einzige Geräusch im Raum. Abgelöst von meinen tiefen Atemzügen. Baines weicht zurück.

»Ich weiß, dass er Sie bezahlt.« Meine Stimme ist leise, doch meine Worte treffen ins Schwarze, jedes Einzelne. »Er bezahlt Sie dafür, sein Syndikat zu decken, seine Feinde zu schwächen und unsere Einsätze zu untergraben.« Baines wird zunächst ganz blass, dann steigt ihm die Zornesröte ins Gesicht. »Setzen. Sie. Sich«, knurrt er, sieht aber hilfesuchend zur Tür, als ich um den Tisch herum trete, meine Hände in den Fesseln zu Fäusten geballt. Der Schmerz vernebelt meinen Verstand, Wut und Verzweiflung treiben mich vorwärts. Ich bin mir bewusst, dass es riskant ist, was ich hier tue, doch ich brauche Gewissheit.

»Wie hoch muss der Preis wohl sein, um sich gegen seine eigenen Männer zu stellen, Baines? Verraten Sie es mir?«

»Keinen Schritt näher!«, bellt er und hebt den Kopf in Richtung der Überwachungskamera, die in der Ecke über der Tür installiert ist. »Officer! Ich brauche hier drin Verstärkung!«

»Keine Angst, Sir.«Voller Verachtung werfe ich ihm das Wort vor die Füße. »Ich werde Ihnen nichts tun. Ich hoffe nur, dass Ihr Gewissen Sie von innen auffressen wird, denn Sie sind mitschuld, dass Cynthia sterben musste.« Seine Augen werden weit. »Ich habe diese Frau geliebt«, zische ich und die Qualen, die ich dabei erleide, schnüren mir den Brustkorb ab. »Und ich wünsche mir, dass Ihre verkommene Seele dafür in der Hölle verrotten wird.«

Die Tür fliegt auf und zwei Beamte drängen mich zurück. Ich widersetze mich nicht, doch ehe Baines den Raum verlässt, kommt er noch einmal auf mich zu. »Es tut mir verdammt leid um Ihre Freundin, Statham«, flüstert er. »Aber auch ich habe Familie.« Und zum ersten und vermutlich auch letzten Mal sieht er mir aufrichtig in die Augen.

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»Lassen Sie mich durch!« 

Dex?! Gott sei Dank, es geht ihm gut. 

»Niemand darf zu ihm, Sir«, höre ich einen anderen Mann sagen. Ein Rumpeln ertönt. »Sir! Lieutenant!« Schritte kommen schnell näher und dann erklingt Dex’ Stimme direkt vor meiner Zelle. »Schließen Sie auf, Officer, oder Sie regeln noch heute Nachmittag den Verkehr.«

Die drei Schlösser der Verriegelung klacken, und dann steht mein Freund vor mir. »Cole!«

Ich springe von der Pritsche auf und falle schier in seine Umarmung. Ich bin so erleichtert, ihn zu sehen, hatte ich doch Angst, dass auch ihm etwas zugestoßen sein könnte. Oder Suzanna. Oder dem Kleinen. Ich atme schwer. Einen vertrauten Menschen bei mir zu haben, bringt all die Gefühle nach oben, die ich seit gestern Abend mit aller Kraft versuche, unter Kontrolle zu halten. Meine Augen brennen. 

»Es tut mir so leid«, flüstert er und als ich den Blick hebe, sehe ich, dass auch er mit den Tränen kämpft. Ich schlucke hart. »Bei dir alles okay?«, frage ich und suche in seinem Gesicht nach etwaigen Anzeichen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn auch Dex da mit reingezogen würde. Doch zu meiner Erleichterung nickt er. »Alles in Ordnung. Ich habe Suzanna und Jimmy sofort zu ihrer Mutter geschickt, als ich es erfahren habe. Cole, ich hab die Akten eingesehen, die wollen dir den Mord anhängen!«

»Ich weiß.« Kraftlos sinke ich zurück auf die Pritsche und fahre mir mit den Händen über das Gesicht. 

»Ich habe Baines gesagt, dass ich dich nur kurz vorher daheim abgesetzt habe. Dass du gar nicht die Zeit gehabt haben kannst, um … Ach, Scheiße. Er hat mir nicht einmal zugehört. Du hattest recht, Cole. Die ganze Zeit hattest du recht.« Ratlos stemmt er die Hände in die Seiten und sieht auf mich herunter.

»Was steht in dem Bericht?«, frage ich und schüttle nur den Kopf, als er mir von einer angeblichen Zeugin erzählt, die einen Streit gehört haben will, und dass die Polizisten mich mit der Tatwaffe in der Hand überwältigt hätten. Es war die perfekte Falle. Und Cynthia mein wunder Punkt. Sie musste sterben, weil ich sie geliebt habe. Ich verberge mein Gesicht in den Händen, weil mich die Erinnerungen an gestern Abend überrollen. »Das Blut, Dex«, presse ich hervor. »Überall war Blut.« Und dann zerbreche ich. Meine Schultern zucken, ich ringe nach Luft. Jeder noch so kleine Muskel in meinem Körper krampft sich qualvoll zusammen und mit der Erinnerung an Cynthias strahlendes Lachen, das ich nie wieder sehen, nie wieder hören werde, rinnen die Tränen meine Wangen hinunter. Ich kann es nicht aufhalten. Ich kann es nicht steuern. Noch nie habe ich solch unfassbares Leid verspürt. Nicht einmal, als meine Eltern starben. 

Cynthia ist fort. 

Für immer. 

Und der Schmerz reißt meine Selbstkontrolle mit sich. 

Ich spüre Dexters Hände auf meinen Schultern. Er ist vor mir in die Hocke gegangen und spricht leise auf mich ein. »Ich bin bei dir, hörst du? Ich lasse dich nicht im Stich.«

Seine Freundschaft tröstet mich, doch ich weiß, dass meine Lage aussichtslos ist. Ich werde des Mordes angeklagt. Und sollte ich die Todesstrafe erhalten, werde ich mir noch wünschen, dass Salazars Leute mich vorher im Knast erwischen. Ich bin tot. So oder so. »Es hat keinen Sinn mehr, Dex«, sage ich. »Versprich mir nur, dass du dich aus dem Staub machst. Bitte. Ich will nicht, dass sie dich auch noch erwischen. Du bist mein Partner. Mein Freund. Und dadurch schwebst du automatisch in Gefahr, selbst, wenn du dich aus den Ermittlungen gegen diesen Teufel zurückziehst.«

»Das verspreche ich dir. Ich habe es auch Suzanna versprochen. Aber vorher hole ich dich hier raus. Und wenn du dich auf den Kopf stellst.«

Mein Lachen klingt hoffnungslos. »Wie soll das gehen? Willst du den Gefangenenbus stürmen? Das hier ist nicht Hollywood, Dex.«

»Lass das meine Sorge sein.« Er drückt mir die Schulter. »Du hast mir schon einmal den Arsch gerettet, weißt du noch? Jetzt bin ich dran. Hier.« Verwundert betrachte ich das kleine Fläschchen, das er mir hinhält. »Was ist das?«

»Keine Ahnung, ich hab den Namen vergessen. Aber nimm das heute Nacht. Es wird dir hundeelend davon werden, aber da musst du durch.«

»Willst du mich umbringen?« Zweifelnd wandern meine Augenbrauen in die Höhe. 

»Idiot.« Dex schnaubt. »Sie werden dich ins Krankenhaus bringen und von dort kann ich dir zur Flucht verhelfen. Ich hab den Plan genau im Kopf, aber ich brauche bis morgen früh, um alles zu organisieren.« Er streckt mir das Fläschchen entgegen, doch ich zögere. Wenn sie uns erwischen, dann ist er geliefert. Da packt er meine Hand und legt mir das Zeug hinein. »Heute Nacht«, sagt er und steht auf. 
Als er gegen die Zellentür klopft, damit ihm der Beamte öffnet, starre ich noch immer auf das braune Glas. Das wird nicht funktionieren. Und dennoch bleibt mir nichts anderes übrig, als meinem Freund zu vertrauen, denn es ist die einzige Chance, die ich habe. Die Tür geht auf und ich schließe meine Finger. Dex’ und mein Blick treffen sich noch ein letztes Mal. Dann bin ich wieder allein.

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»Was zur Hölle war das für ein Hexengebräu?!«, zische ich meinem Freund am nächsten Morgen zu, als er das Krankenzimmer betritt, in das sie mich mit den fiesesten Magenkrämpfen seit Anbeginn der Menschheit gebracht haben. Ich dachte tatsächlich, ich gehe drauf. Zitternd und in Embryonalstellung lag ich auf meiner Pritsche, der Schweiß rann mir kalt aus allen Poren und ich bekam kein Wort mehr heraus, als zwei Officers, durch mein qualvolles Stöhnen alarmiert, die Zelle stürmten. Die Schmerzen wurden erst erträglicher, nachdem sie mir im Krankenhaus irgendein entkrampfendes Mittel gespritzt hatten. Mir ist immer noch schlecht, aber Dex’ Plan ist bis hierhin schon mal aufgegangen – ich bin nicht mehr im Gefängnis.

»Zieh dich an, wir müssen uns beeilen«, bekomme ich anstelle einer Antwort, während Dexter eine Sporttasche auf mein Bett stellt. »Ich hab dir ein bisschen was zusammengepackt.«

»Was ist mit dem Polizisten vor der Tür?«

»Der wurde zu einem vermeintlichen Zwischenfall auf dem Parkplatz beordert. Mach schnell, er wird bald merken, dass das eine Finte war.«

Eilig tausche ich das Krankenhemd gegen meine Klamotten, während Dex an der Tür steht und den Flur überprüft. Er winkt mich zu sich, kaum, dass ich in den zweiten Sneaker geschlüpft bin. »Schnell!«

So unauffällig und dennoch zügig wie möglich folge ich ihm den Gang hinunter bis zum Treppenhaus. Mein Herz klopft und mein noch immer angeschlagener Kreislauf lässt mir das Blut in den Ohren rauschen. Ich bin auf der Flucht. Ich komme in Teufels Küche, sollte der Polizist schneller sein als erwartet und Verstärkung anfordern – und Dex auch. Eine Flut von Gedanken wälzt durch mein Hirn, während wir die Stufen immer weiter nach unten hetzen. Mein geschwächter Körper macht es mir schwer, mit meinem Partner Schritt zu halten. Ich keuche und einmal falle ich beinahe, kann mich aber gerade noch am Geländer festhalten.

Endlich erreichen wir die Tiefgarage. Dex bedeutet mir, stehen zu bleiben. Nach Luft ringend sinke ich gegen die Wand, da treibt er mich bereits weiter, bis wir vor einem beigen Mittelklassewagen stehen bleiben, an dem die Zentralverriegelung aufschnappt. »Was Hässlicheres hast du nicht bekommen, was?«, schnaufe ich, die Hände auf meine Oberschenkel gestützt, und sehe mich gehetzt um. Niemand ist zu sehen. Dex schüttelt den Kopf und wirft die Tasche auf den Rücksitz. »Der ist unauffällig«, blafft er mich an. »Und jetzt halt die Klappe und hör mir zu.« Auch er ist nervös. Nach all den Einsätzen, die wir gemeinsam bestritten haben, kann ich seine Körpersprache lesen. »Hier.« 

Ich nehme das Bündel Dokumente entgegen, das er mir reicht. Ganz obendrauf liegt ein Führerschein, auf dem ich mein Foto erkenne. Allerdings … ich sehe auf.

»Du bist nicht mehr länger Cole Statham.«

Die Krämpfe sind zurück. Ich atme schwer. Doch diesmal liegt es nicht an den Nachwehen des Medikaments, sondern daran, dass mich die Tragweite von Dex’ Worten wie ein Schlag in den Magen trifft. Natürlich, ich kann hier nicht einfach rausspazieren, als sei nichts geschehen. Wenn ich meine Freiheit wiedererlangen will, dann muss ich dafür bezahlen … Mit meiner Identität. 

»Es tut mir leid, Bud, aber das ist die einzige Möglichkeit. Sonst endest du entweder im Gefängnis oder mit einer Kugel im Kopf, und beides möchte ich um jeden Preis verhindern.« Dex tritt vor. »Du musst L.A. verlassen.« Mit fest aufeinandergepressten Lippen übergibt er mir die Autoschlüssel. Er weiß, was in mir vorgeht. Dieser elenden Stadt den Rücken zu kehren, ist nicht das Thema. Aber wenn ich gehe, dann werde ich nicht nur mein Leben zurücklassen, sondern auch Cynthia und alles, was mich mit ihr verbunden hat. Ich werde nicht einmal ihr Grab besuchen können …

Am anderen Ende der Tiefgarage wird eine Tür geöffnet. Stimmen erklingen, aber es ist nur ein Ehepaar, das zu seinem Wagen läuft, ohne Notiz von uns zu nehmen. Dennoch erinnert uns ihr Erscheinen daran, dass wir uns beeilen sollten. »Was ist mit dir?«, frage ich. »Wirst du klarkommen?« Dex lächelt und zieht mich in seine Arme. 

»Ich pass auf mich auf, versprochen. Sobald sich die Wogen geglättet haben, hat Baines meine Kündigung auf dem Tisch.« Er klopft mir kräftig auf den Rücken und tritt zurück. »In der Tasche sind ein Prepaid-Handy und etwas Geld. Ich werde mich bei dir melden, wenn ich auf dem Weg zu Suzanna bin. Und jetzt hau ab, ehe ich noch heulen muss.« 

»Danke«, sage ich und schlucke gegen den verdammt fetten Kloß in meinem Hals. »Für alles.« Ein letztes Mal umarmen wir uns, dann geht er ohne ein weiteres Wort.

Ich sehe seinen Rücken noch in der Menschenmasse auf dem Bürgersteig verschwinden, als ich mit dem Wagen die Tiefgarage verlasse, und bete zu Gott, dass er ihn beschützen möge. Dann fädle ich mich in den Verkehr ein und sehe zwei Kreuzungen weiter die Blaulichter im Rückspiegel. Den Blick entschlossen nach vorn gerichtet, gebe ich Gas und fahre weiter in Richtung Norden. Ich lasse alles hinter mir – meinen Job, meine Vergangenheit … und Cynthia. Um sie hat sich mein Universum gedreht. Sie war mein Leben. Cole Stathams Leben. Doch auch er existiert nicht länger. Sein Herz hörte mit ihrem auf zu schlagen. Und wenn ich sie irgendwann rächen will, dann als der Mann, der ich von jetzt an sein werde – Colin Stewart

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